Einladung »KulturDisplace«
Liebe Leute,
wir möchten Euch mit diesem Schreiben ein kulturpolitisches Projekt nahe legen, dass das derzeitige Dilemma kultureller Repräsentation und kultureller Öffentlichkeitsarbeit thematisiert.
Im Zuge der neuen Entwicklungen urbaner Räume durch die Veränderung postindustrieller Gesellschaften entstehen neben Shopping Malls und Freizeitparks, Wohlstandsenklaven und Dreckecken viele interessante Ansätze kultureller Aktivitäten. Gleichzeitig verändert sich die Kultur der Stadt – ihre Existenz und Präsenz ist nur dort erwünscht, wo sie in das Konzept der neuen »Dienstleistungsstadt« passt. Die Kultur der Marginalisierten, das soziokulturelle Projekt um die Ecke, der Treffpunkt für jugendkulturelle Aktivitäten, die Clubculture geht innerhalb dieser Entwicklung in den meisten Fällen den Bach runter.
Das Projekt »KulturDisplace« möchte gegen diesen Trend intervenieren. Wir holen uns den Raum zurück, der der kulturellen Öffentlichkeit zusteht, wir machen uns zum Ziel, verlorenes Terrain – wenn nicht greifbar, dann zumindest symbolisch – zurückzuerobern. Wir möchten, das ganz konkret Raum, Platz und der Wille geschaffen wird, nonkonforme Kultur zu repräsentieren.
Auch das soziokulturelle Zentrum Conne Island ist innerhalb der Versuche mit seiner jugend- und popkulturellen Arbeit nach Außen zu wirken in letzter Zeit zunehmend an Grenzen gestoßen. Ordnungspolitische Argumente seitens der Verwaltungsbehörden dominieren immer öfter kulturelle Auseinandersetzungen. Die Kriminalisierung der Plakatierung für Conne Island-Veranstaltungen, der Ordnungswahn der Stadt und nicht zuletzt die irrsinnigen Beschäftigungs-Programme für mehr Sicherheit- und Sauberkeit in Leipzig haben das Conne Island und seine Partner zum Projekt »KulturDisplace« bewogen.
Nicht zuletzt deshalb sucht der Verein nach Möglichkeiten offener und nicht reglementierter Darstellung seiner Angebote, Ziele und Vorstellungen nach außen.
1. Die Kulturdisplays
Ganz konkret sollen sowohl in der Innenstadt Leipzig als auch in ausgewählten Stadteilen – möglichst also im öffentlichen Raum, an Straßen, auf Plätzen, in Parkanlagen – sogenannte »KulturDisplace« installiert werden, die allein durch ihren Standort und durch ihre Erscheinung störend und deplaziert wirken, die aber auch die kulturellen Aktivitäten und Identitäten marginalisierter Subkulturen repräsentieren und nachvollziehbar machen. Die Installation der »KulturDisplace« ist im Kontext von Street Art, Graffiti, öffentlicher Projekt- und Plakatkunst angesiedelt, will aber ausdrücklich kein eigenständiges Kunstprojekt sein, sondern mit klaren Inhalten und Aussagen polarisieren. Die Kulturdisplays sollen keine klassische Repräsentation sein, wie es z.B. der Begriff der Werbung suggeriert. Sowohl Form und Material als auch dargestellte Inhalte sollen Blickfang und Stolperstein sein. Wie diese Symbolkraft letztendlich seine Umsetzung findet, ist im Diskussions- und Arbeitsprozess auszuloten.
Hier arbeiten zur Zeit die MitarbeiterInnen von Niko 31 ein Call for Papers und einen Kriterienkatalog aus, der sowohl »physische« als auch »nicht-physische« Displayvarianten konzipiert. Welche Eigenschaften muss ein Kulturdisplay besitzen, wie kann eine praktische Umsetzung aussehen? Ist ein virtueller Display vielleicht viel »raumeinnehmender« als ein klassischer?
2. Ämter- und Institutionen-Diskurs
Konfrontation und Kritischer Dialog sind ebenso integrale Bestandteile des Projektes. Die symbolische Konfrontation mit kommunalen Behörden ist durch das Projekt „KulturDisplace« durchaus beabsichtigt. Der ordnungspolitische Blick einer städtischen Verwaltung ist bekanntermaßen nicht immer durch die Weitsicht geprägt, die es eigentlich bedarf. Hier soll das Projekt zuerst provozieren, letztlich aber das Gespräch suchen. Für uns ist das kein Widerspruch. Wir agieren aber auch im Wissen, dass die von uns anvisierten Freiräume nur mit einer modernen und zeitgemäßen Stadtverwaltung realisierbar sind.
Hier soll zum einen das Leipziger Kulturamt als Unterstützer und Vermittler des Projektes gewonnen werden, zum anderen bereits jetzt die Möglichkeiten einer Durchsetzung gegenüber privaten und öffentlichen Behörden im Bereich Ordnung und Sicherheit diskutiert werden.
Auf die Erfahrungen der Präsentation von Kunstprojekten im öffentlichen Raum – insbesondere von Niko 31 – soll hier zurückgegriffen werden.
Das Modell der »Kreativen Intervention« soll natürlich zum Erfolg führen, insofern ist unsere Ausgangsposition in erster Linie eine kooperative. Sie kann aber im Laufe der Zeit durchaus konfrontativen Charakter annehmen.
3. Diskussion und Agitation
Die Diskussionsveranstaltungen sind öffentlich, Podium und Publikum sollen ausdrücklich ins Gespräch kommen. Die Ergebnisse und Verläufe der Veranstaltungen werden durch das Internetradio Public Information Plattform veröffentlicht und dokumentiert. Eine Publizierung in Printmedien ist angestrebt. Konfrontation passiert also im Diskurs, ist allerdings – und das ist uns durchaus bewusst – insbesondere im Kontext öffentlicher Diskussion leicht instrumentalisierbar. Der Verlust der Nachhaltigkeit und Nachdrücklichkeit einer Forderung verpufft hier am schnellsten. Nicht zuletzt deshalb geht es dem Projekt »KulturDisplace« auch um direkte Möglichkeiten symbolischer Intervention.
Eine Veranstaltungsreihe, die thematisch naheliegende Diskussionsfelder angeht, wird im Moment konkret geplant. Neben eher klassischen stadtsoziologischen und theoretisch angelegten Themen sollen allerdings insbesondere praktisch agierende Gruppen und Akteure in die Veranstaltungen eingebunden werden.
Themen/Arbeitstitel sind u.a.:
4. Dokumentation
»KulturDisplace« ist ein entscheidender Teil dieser Strategie der Sichtbarmachung, ist ein Stück Widerstands gegen Homogenisierung und Funktionalisierung der Stadt. Als Modell mit basiskulturellem Anspruch ist es das Ziel, die gesteigerte soziale und kulturelle Differenz der Großstadt positiv zu nutzen, die Begegnung mit dem Neuen auszuloten und den dezidiert als kosmopolitisch benennbaren Schauplatz der eigenen Aktion festzuschreiben. Die Dokumentation des Projektes ist gerade angesichts seiner leichten Instrumentalisierbarkeit ein entscheidender Punkt.
Hier wurden klassische Möglichkeiten der Dokumentation – z.B. eine Ausstellung, ein dicker Katalog – eher verworfen, sondern andere Formen der medialen Begleitung favorisiert: Das Internet- Radio Pulic Information Plattform spielt hier mit seinen additiven Möglichkeiten eine ebenso wichtige Rolle, wie eine sinnvoll strukturierte und kommunikative Internetseite.
Eine Plakataktion, die polarisiert, soll als traditionelle Möglichkeit von Raumaneignung genutzt werden.
Soweit ein erster, kurzer Überblick über unsere Aktivitäten. Für eventuelle Rückfragen stehen wir Euch gerne zur Verfügung. Wir würden uns freuen, Euch in »KulturDisplace« einbinden zu können. Als DiskussionspartnerInnen, KritikerInnen oder mit einer Idee, die Ihr als passend für das Projekt empfindet.
Herzliche Grüße